Historisches: Das Frauenturnen- Raus aus dem Korsett

21.08.2023

Turnfest 1929 - Turnerinnen der TG

Mit großer Begeisterung nehmen heute Frauen an Turn-Wettkämpfen oder auf Turnfesten teil. Es geht da auch um turnerische Höchstleistungen, dargeboten von Mädchen und Frauen von 12 -99 Jahren. Rund 70 Prozent der Mitglieder im Deutschen Turner-Bund sind weiblichen Geschlechts.

Das jedoch war nicht immer so. Während turnende Frauen heute als Normalität und nicht mehr als Besonderheit (es ist ja eher frauengeprägt) wahrgenommen werden, hatte das Turnen in seinen Anfängen für das vermeintlich schwache Geschlecht damals geradezu revolutionäre Züge. So heißt es in der 1849 vorgelegten Satzung des Frankfurter Frauenturnvereins:

„Raus aus dem Korsett“ - Die Mitglieder verpflichteten sich mit ihrem Beitritt unter anderem, "wöchentlich zweimal zu turnen, und zwar ungeschnürt in linnener Turnkleidung", "auch außer dem Turnplatz allen und jeden körperlichen Zwang, als der freien Bewegung hinderlich und somit der Gesundheit schädlich, zu verwerfen und abzulegen", "einfach zu werden, nämlich allen eitlen Schmuck und Tand zu verachten und zu verbannen" sowie "die Fremdwörter zu meiden, und sich der deutschen Reinsprache zu befleißigen".

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch hatte das ganz anders ausgesehen: Vor allem das Korsett - ein aus Stahl, Fischbein und festem Stoff bestehender Panzer - presste den Körper in die erwünschten Formen. Während Männer nach Arbeit und Leistung bewertet wurden, waren es die "Repräsentationsqualitäten", die eine gute Frau nach den geltenden Konventionen ausmachten.

In den Schulen wurden Mädchen ausschließlich zu Gefälligkeit, Anstand und Häuslichkeit erzogen. An den sogenannten "höheren Töchterschulen" wurden sie auf ihre Repräsentationsaufgaben vorbereitet. Heiraten erschien als einzige Perspektive, wollten sie nicht als "alte Jungfern" enden.

Breites Kreuz? Unerwünscht!

Unumstritten war auch dies damals freilich nicht. Viele Protagonisten befürchteten gar, dass mit "breitem Kreuz und dickem Hals" unweigerlich die "psychische und physische Vermännlichung" einhergehe und am Ende nur noch "Emanzipierte, Amazonen und Mannweiber" stünden.

So waren die Frauen im Kreis der Turner lange Zeit eher geduldet denn integriert. Noch 1895 stellte man in der Deutschen Turnerzeitung grundsätzlich fest: "Den Damen wirkliche Mitgliedsrechte, Sitz und Stimme ... einzuräumen, daran wird wohl kein Verein denken". Und selbst der fortschrittlich denkende Kloss räumte ein: Keinesfalls dürfe "die beabsichtigte leibliche Ausbildung auf Kosten der zarten Weiblichkeit ausarten, die Zartheit der Empfindungen nicht vertauscht werden gegen ein keckes, kühnes männliches Wesen". © BTB

Glücklicherweise hat sich da vieles verändert, und es hat jemand die Jogginghose erfunden. -© SG/dt

Auf dem Bild sind v li nach re: Antonia Klemm/ Göhner, Irmgard Kling/ Etsch, Lisa Schwab/ Köber, Elisabeth Stolz/ Weber, Elisabeth Maas/ Haag, Berta Kling/ Zeilinger, Eva Lang / Zeiss, Katharina Bayer/ Lüger, Elise Günther/ Gutperle, Karoline Sponagel/ Schork, Barbara Klemm/ Hoffmann, Maria Diehl/ Menz.